Das Geesthachter Stadtwappen
Wie ein Kommunalwappen aussehen soll, wird in den Hauptsatzungen der Gemeinden festgelegt. Die Beschreibung für unser Stadtwappen in der Hauptsatzung der Stadt Geesthacht lautet wie folgt: „Gespalten von Silber und Blau. Vorn auf grünem Dreiberg ein naturfarbener Weidenbaum mit sieben grün belaubten Schösslingen, hinten auf silber-blauen Wellen ein goldener Kahn mit silbernem Segel.“
Die Heraldik kennt besondere, aus dem Mittelalter stammende, Regeln für die Gestaltung und Beschreibung. Wappen wurden ursprünglich von gepanzerten Kriegern als Erkennungszeichen auf ihren Schildern getragen. Wappen werden immer aus der Sicht des Schildträgers beschrieben. Was aus Sicht der/des Betrachtenden links steht, befindet sich heraldisch rechts und umgekehrt. Rechts heißt in der Heraldik auch „vorn“ und links „hinten“: Denn die rechte Schildseite war die der Schwerthand zugewandte Seite (bei Rechtshändern), also die vordere Seite.
Die Wappenbilder von Kommunen verweisen auf typische Merkmale eines Ortes oder besondere Begebenheiten der Stadtgeschichte. Die Weide und der Kahn im Geesthachter Wappen stehen stellvertretend für die dominierenden traditionellen Gewerbe des Elbortes: das Weidenholz wurde von den hier ansässigen Korbmachern und Bandrietern verarbeitet. Weiden hat man dazu auch sogar angepflanzt. Die Elbschifffahrt und der Schiffsbau waren weitere wichtige Wirtschaftszweige im Ort, wobei der Kahn einen Ewer darstellt, ein in der historischen Elbschifffahrt weit verbreiteter Bootstyp.
Unsere Wappenbeschreibung hat die Stadt 2025 in Abstimmung mit dem Landesarchiv Schleswig-Holstein, der Begutachtungsinstanz für Kommunalwappen in unserem Bundesland, neu festgelegt. Das Wappen selbst ist schon über 120 Jahre alt. Damit ist es für ein Wappen zwar noch relativ jung. Ehemalige Landgemeinden, die wie Geesthacht erst spät Stadtrecht erlangten, haben meist erst ab dem 19. Jahrhundert Wappen erhalten. Aber dieses junge Wappen hat schon eine turbulente Vergangenheit hinter sich und wurde Gegenstand mehrerer Wappenlegenden.
Dazu im Folgenden eine Wappenchronik mit kurzen Erläuterungen zu Legenden und anderen historischen Missverständnissen über das Geesthachter Wappen.
Wappenchronik
Diest ist eine Wappenchronik mit kurzen Erläuterungen zu Legenden und anderen historischen Missverständnissen über das Geesthachter Wappen. Sie wurde nach Urkundeneditionen, Akten, zeitgenössischen Zeitungsberichten und Druckschriften erstellt.
- 1236: Ein Ritter de Hachede (= von/aus Hachede) wird urkundlich erwähnt, vermutlich Beleg für eine ursprünglich adlige Ortsherrschaft über Hachede/Geesthacht
- Ca. 14./15. Jahrhundert: Die Hamburger Patrizier- und Ratsfamilie de Hachede / von Hacht führt ein Wappen, ein gespaltener Schild, darin jeweils halbiert vorn ein Baumstumpf mit Zweigen, hinten ein Adler. Ende des 19. Jahrhunderts wird es im Staatsarchiv Hamburg wiederentdeckt. Man vermutet einen genealogischen Zusammenhang zwischen Ratsfamilie und dem Ritter von 1236
- 1895: Zum 25. Jahrestag der Schlacht von Sedan im Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871 stellen sich alle Kriegervereine im Hamburger Landgebiet im Raum Bergedorf in einer Gedenkschrift jeweils mit Ortswappen vor. Wo diese fehlen, verwendet man nach Beratung durch das Staatsarchiv Hamburg Wappen mittelalterlicher adliger Ortsherren, für Geesthacht das Wappen der von Hachede/Hacht
- 1902: Geesthachter Geschäftsleute werben im Bürgerverein des Ortes für die Idee, ein Ortswappen zu schaffen. Es soll die neuen Fahrplantafeln für Dampfer und Omnibusse verzieren, die sie stiften wollen. Der Vereinsvorsitzende Walter Natus (1863-1914), Pastor an der St.-Salvatoris-Kirche, erstellt dafür einen Entwurf, inspiriert vom Familienwappen der von Hacht, und reicht ihn bei der Gemeinde ein. Den Hacht´schen Baum interpretiert er zur Weide um, als Symbol der Korbmacherei. Den (Reichs?-)Adler ersetzt er durch das Hamburger Wappen und bekrönt den Wappenschild mit einem Oberwappen (Helm, darauf als Helmzier ein Elbkahn mit einem Segel)
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- 1903: Geesthacht schickt den Natus-Entwurf über den Hamburger Behördenweg an das Staatsarchiv, das den Entwurf aus heraldischen Gründen zweimal stark verändert. Die erste, verworfene Fassung zeigt einen Kahn mit quer zur Schiffsachse stehendem Rahsegel. Die zweite, endgültige Fassung zeigte stattdessen ein Segel in Schiffsachse, ein sogenanntes Schotsegel. Das ist die Originalversion des heutigen Stadtwappens. Die Gemeindevertretung Geesthacht nimmt den Entwurf des Archivs an
- Das Staatsarchiv belässt den verworfenen Erstentwurf in seiner Begutachtungs-Akte, eine Reinzeichnung der Endfassung gerät in der Plankammer in Vergessenheit. Das führt in den Folgejahrzehnten mehrfach zu Falschdarstellungen des Geesthachter Wappens
- 1905: Erst jetzt bestellt Geesthacht beim Staatsarchiv eine eigene Reinzeichnung. Sie wird wiederholt verlorengehen und muss daher mehrfach erneuert werden
- 1915: Nachträgliche Einholung der erforderlichen Genehmigung (= Verleihung) des Wappens durch den Hamburger Senat. Die erteilte Wappenbeschreibung wird bis 2025 beibehalten. Ausdrücklich ordnet der Senat aber an, dass die Landgemeinde Geesthacht als Flagge nur die Hamburger Flagge, also keine eigene Ortsflagge, führen darf
- 1924: Geesthacht wird Stadt, das Interesse am Wappen und an einer Ortsflagge vor allem bei Geschäftsleuten und in der Tourismusbranche nimmt stark zu. Dies führt zu einer ungeregelten Verbreitung des Wappens
- 1929: Städtische Wappen- und Flaggen-Verordnung: Sie regelt erstmals die Verwendung des Wappens, bestätigt es als Stadtwappen und führt eine Stadtflagge nach Vorschlägen des Staatsarchivs Hamburg ein. Die Flaggenbeschreibung wird bis heute fortgeführt.
- Die Stadt lässt in jener Zeit für den amtlichen Bedarf eine Vorlage durch eine Druckerei anfertigen. Das Wappen von 1903 erhält nun für alle dienstlichen Belange leicht stilisiert die Form, die fast unverändert bis heute fortgeführt wird (unter anderem wird das ursprünglich gezeigte Schotsegel nun in ein Gaffelsegel verändert, in dem am unteren Segelrand ein Gaffelbaum hinzugefügt wurde. Tatsächlich waren auf der Elbe Ewer mit beiden Segeltypen unterwegs. Magnus Prüß berichtet im gleichen Jahr in seinem „Geesthachter Heimatbuch“ über die Wappengeschichte und zeigt im Titelblatt das Wappen in der gerade geschaffenen amtlichen Form
- 1937: Groß-Hamburg-Gesetz: Geesthacht fällt an die preußische Provinz Schleswig-Holstein und gehört seither zum Kreis Herzogtum Lauenburg. Für Kommunalwappen ist fortan das Staatsarchiv in Schleswig (zeitweilig in Kiel) zuständig, das heutige Landesarchiv (LASH)
- 1940: Erster Nachweis (bislang) für die Geesthachter Wappenlegende: Der Gewerbelehrer und Heimatforscher Wilhelm Mittendorf (1886-1964), seit 1920 in Geesthacht tätig und ab 1933 auch im Kirchenvorstand, schreibt in einer Artikelserie zu den Geesthachter Rutenreißern und Korbmachern, dass Pastor Walter Natus um 1910 das Wappen geschaffen habe und dies später von der Stadt als Wappen angenommen worden sei. Der tatsächliche Entstehungsprozess wird dabei verfälscht und verkürzt dargestellt. Ferner berichtet Mittendorf, dass Natus mit den sieben Zweigen der Weide die sieben ältesten Familien des Ortes symbolisieren wollte, die zu seiner Zeit noch Nachfahren in Geesthacht hatten. Die Zahl der Blätter entspräche der Zahl ihrer Nachkommen (Namen der Nachfahren und Zahl werden nie genannt). Mittendorf rätselt, um welche Familien es sich handeln könnte. In den Stellungnahmen von Natus und dem Staatsarchiv Hamburg 1902/1903 findet sich kein Indiz für diese Erzählung. Sie dürfte sich um eine spätere Legende handeln. Nur die Zahl sieben für die Weidenzweige wurde schon von Walter Natus ohne weitere Begründung genannt und 1903 vom Hamburger Staatsarchiv übernommen
- 1949: Wilhelm Mittendorf legt seine Chronik 25 Jahre Stadt Geesthacht vor. Darin wiederholt er seine Wappen-Erzählung, nennt nun aber auch Familiennamen: Burmeister, Elvers, Kiehn, Koops, Reimers, Rieck und Uhrbrook. Diese Erzählung wird Allgemeingut, später von anderen Autoren übernommen und in Schulen im Heimatunterricht gelehrt
- 1956: Mittendorf berichtet nachträglich in einem kleinen Aufsatz zum Stadtwappen, die sieben Familiennamen habe man im Staatsarchiv Hamburg in einer Quelle von 1612 ermittelt. Er wisse aber nicht, ob Walter Natus diese Quelle schon gekannt habe. Dagegen spricht unter anderem, dass schon zu Natus‘ Zeiten in der Heimatforschung ältere Namenslisten bekannt waren, die Familien nennen, die 1612 fehlen, aber ebenfalls bis heute im Ort existieren
- 1956-1959: Erneuter Verlust der Wappenreinzeichnung. Beauftragung des Bergedorfer Heraldikers und Grafikers Max Lobusch (1902-1975) durch die Stadt für eine Neuzeichnung von Wappen und Flagge in Abstimmung mit dem LASH. Es folgt ein längerer Entscheidungsprozess mit vielen Entwürfen. Das Ergebnis, stark verändert gegenüber den bisherigen Versionen von Wappen und Flagge, beruht auf dem 1903 verworfenen Erstentwurf des Staatsarchivs. Die Ratsversammlung nimmt den Lobusch-Entwurf nicht an, die alte Version bleibt amtliches Hoheitszeichen. Das LASH nimmt den Lobusch-Entwurf jedoch bis 2025 als Geesthachter Stadtwappen in die kommunale Wappenrolle des Landes auf
- 1967: Die Stadt genehmigt die Verwendung des amtlichen Stadtwappens als Bugwappen für die „Otto Hahn“. Das Bugwappen steht heute an der Elbuferstraße
- 1972: Anbringung einer Wappen-Metallplastik am Ratssaalanbau des neuerbauten Rathauses. Als Vorbild dient der Lobusch-Entwurf. Dieser fand trotz seiner Ablehnung als amtliches Hoheitszeichen nach 1959 gelegentlich im städtischen Kulturbereich in der Touristinformationen, Büchern und so weiter Verwendung
- 2023-2025: Untersuchung Wappengeschichte und Abstimmung mit dem LASH. Die Ratsversammlung beschließt am 12.09.2025 die überarbeitete Beschreibung. Das LASH übernimmt die städtische Wappen-Version in die kommunale Wappenrolle Schleswig-Holsteins